Dieses Internet – neue Herausforderungen im Journalismus
„Eine Kollegin kam von einer Schulung zurück, und meinte: Wir brauchen in Zukunft eine Facebook-Seite“, schildert Nina Schellkopf ihren ersten Kontakt mit dem Thema Social Media bei der Mittelbayerischen Zeitung. „Es ging einfach nur ums dabei sein, da stand kein strategischer Marketingansatz dahinter“. Das habe sich inzwischen geändert, die Konkurrenz sei riesig und hoch professionalisiert. „Die Sozialen Medien sind ein lebendiges System, das sich ständig verändert“, sagt Nina Schellkopf. Entsprechend sei ihr Weg zur Social-Media-Expertin geprägt gewesen von „viel kaltem Wasser und viel learning by doing“. Mittlerweile ist sie als Projektmanagerin für Kommunikation und Marketing für Oberpfalz.de tätig. Weil dort bis vor kurzem ein Instagram-Account fehlte, hat sie den inzwischen eingerichtet. Seit Schellkopf 2009 angefangen hat, sich professionell mit sozialen Medien zu beschäftigen, hat sich aus ihrer Sicht eines geändert: Früher habe man mehr Leute mit weniger Aufwand erreicht. Die Community „in Schach zu halten“ sei heute eine große Herausforderung.
Von Snapchat bis YouTube
Sebastian Meinberg will beim Bayerischen Rundfunk als Teamleiter bei PULS vor allem ein junges Publikum erreichen. Um ein U-20-Publikum zu erreichen ist für ihn Snapchat das Mittel der Wahl: „Leute über 25 erreiche ich damit nicht, die interessieren sich nicht für Snapchat.“ Das Konzept von Snapchat, Kommunikation primär über Bilder und Videos zu gestalten, eignet sich in seinen Augen hervorragend für Storytelling. „Snapchat ist extrem personalisiert“, erläutert Meinberg, „wir haben deshalb die Snapchat-Soap ‚I am Serafina‘ gestartet, in der eine fiktive 19-Jährige Besucher an ihrem Leben Teil haben lässt“. Instagram sieht er als Verknüpfungsmedium. Mit einem Challenge-Format wie „Das schaffst du nie!“ nutzt das PULS-Team aber auch YouTube als Kanal für seinen Content. Und das mit Erfolg.
Bei bento hat man zuletzt moderierte Chats auf WhatsApp genutzt, um einem jungen Publikum Hintergründe und Analysen zu den Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Großbritannien zu liefern. „Wir holen uns da die Expertise junger Menschen aus diesen Ländern ein, die darüber berichten, was sie beschäftigt, und um was es aus ihrer Sicht bei den jeweils anstehenden Wahlen geht“, berichtet Sophia Schirmer von bento. Es war ein Versuchsballon, der überaus erfolgreich war. „Wir hatten erwartet, mit vielleicht nur ein, zwei Dutzend Usern da zu sitzen“, berichtet sie, „im Fall der Niederlande waren es dann etwa 70, bei der zweiten Runde der Wahlen in Frankreich knapp 100 Teilnehmer“. Eine ganz eigene Erfahrung war für sie ein Interview mit Martin Schulz, dessen Fragen von Usern bestimmt wurden: Schirmer suchte im Netz nach Themen und Aussagen von jungen Menschen und konfrontierte Schulz damit. Der heutige SPD-Kanzlerkandidat, damals noch Präsident des Europäischen Parlaments, habe sehr spontan reagiert und sich über die Art des Interviews gefreut.
Was Daten verraten
Von einer ganz anderen Art journalistischer Arbeit berichtete schließlich Steffen Kühne, der für BR Data arbeitet. Welche Möglichkeiten der Datenjournalismus bietet, machte er am Beispiel einer langen Recherche über das Steuerparadies Madeira deutlich. Die Tatsache, dass das dortige Amtsblatt zurückgehend bis ins Jahr 2000 alle relevanten Unternehmens- und Wirtschaftsmeldungen digital abrufbar zur Verfügung stellt, erlaubt es, eine ganze Reihe steueroptimierter Vorgänge öffentlich zu machen. In der Konsequenz dieser Berichterstattung musste sich dann die zuständige Regionalregierung vor dem Europäischen Parlament rechtfertigen. Manchmal sei es aber schwierig an Daten öffentlicher Einrichtungen und Behörden zu kommen, berichtet er, „es gibt immer wieder Fälle, in denen wir trotz Androhung rechtlicher Schritte keine Daten bekommen“. Aktuell hat sich das BR-Data-Team mit der Diskriminierung ausländischer Wohnungssuchender auf dem deutschen Wohnungsmarkt beschäftigt. Dabei arbeitete das BR-Data-Team nicht nur mit Hörfunk und Fernsehen im eigenen Haus zusammen, sondern auch mit SPIEGEL Online.
von Engelbert Hopf